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Die Enteignungen nichtüberschuldeter Eigenheime über die besondere Objektliste[1] 

  

Von Rechtsanwalt Peter Baumhaus, Münster[2]


 

Mit dem Beschluß des Politbüros des Zentralkomitees der SED vom 27.01.1976 über die "Grundlinie der Behandlung des in der DDR befindlichen Vermögens von Berechtigten aus kapitalistischen Staaten und Westberlin" [3] (sog. Vermögensbeschluß) begann die von der DDR seinerzeit als Staatsgeheimnis behandelte Kampagne zur Reduzierung des Westeigentums im Wege der Inanspruchnahme nach Aufbau- bzw. Baulandgesetz.

Der Entzug des Eigentumsrechts an Wohngrundstücken und gewerblich genutzten Grundstücken in Durchführung dieses und weiterer sog. Vermögensbeschlüsse "zur Sicherung von geplanten Baumaßnahmen an vorhandenen Gebäuden" gem. Aufbaugesetz vom 06.09.1950 [4] i.V.m. der 2. DB zum Aufbaugesetz vom 29.09.1972 [5] und dem Entschädigungsgesetz vom 25.04.1960 [6] und später gem. §§ 15 ff. Baulandgesetz vom 15.06.1984 [7] ist daraufhin jährlich ab 1978 in allen Bezirken der früheren DDR einschließlich Berlin (Ost) über die  sogenannten "besonderen Objektlisten (BOL)" unter der Führung des Amtes für Rechtsschutz der DDR stabsmäßig organisiert worden. Diese Listen (BOL staatlich verwaltete Grundstücke und BOL nicht staatlich verwaltete Grundstücke) [8] wurden für Berlin von der Abteilung Finanzen des Magistrats, Bereich Volkseigentum und staatlich verwaltetes Vermögen aufgestellt. Sie dürfen nicht verwechselt werden mit den "regulären" Objektlisten der Stadtbezirke für Wohnrauminstandsetzung und Modernisierung, welche als Teil des Volkswirtschaftsplanes die von den zuständigen Gremien gemäß den Prinzipien einer Planwirtschaft beschlossenen Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßen - unabhängig von der jeweiligen Eigentumsform, also auch Grundstücke in Privateigentum einschließend - für das nächste Planjahr auswiesen. In den sog. besonderen Objektlisten wurden dagegen die Grundstücke o.a. Personenkreises, d.h. aus Westeigentum, zur Enteignung im lfd. Planjahr erfaßt, bei denen folgende Voraussetzungen erfüllt waren:

 

a)   Es waren Baumaßnahmen in Form von Instandsetzungs-/Modernisierungs-/Um- und Ausbaumaßnahmen geplant, d.h. in den regulären Objektlisten für Modernisierung und Instandsetzung des jeweiligen Stadtbezirkes als dafür maßgeblichen Teil des Volkswirtschaftsplanes eingestellt. (U.U ließ es die Praxis - wohl auch im Hinblick auf die Abgrenzungschwierigkeiten zwischen Instandhaltung und Instandsetzung - genügen, wenn umfangreichere Instandhaltungsmaßnahmen (mindestens 10.000 M Bauaufwand) in der sog. Instandhaltungsliste des zuständigen VEB KWV [9] - aufgenommen waren.)

 

b)   Die Grundstücke mußten zudem mit vorrangigen volkseigenen Forderungen (Aufbauhypotheken und volkseigenen Altforderungen) überschuldet gewesen sein (Richtwert 80% des Einheitswertes).

 

Bei Mehrfamilienobjekten setzte dabei der strikt organisierte Verfahrensablauf bei den Instandsetzungs- bzw. Instandhaltungslisten des Stadtbezirkes bzw. des VEB KWV an. Diese wurden von dem sog. Vermögensbeauftragten [10] bei dem VEB KWV  mit den dort zusammengefaßten Unterlagen über Westeigentum abgeglichen. Bei Übereinstimmung wurden die Grundstücke dann an die Abteilung Finanzen des Magistrates zwecks Aufnahme in die BOL gemeldet, soweit die unter b) bezeichnete Überschuldungslage vorlag.[11]

Die Aufnahme des Grundstückes auf die besondere Objektliste war dann das planmäßige Signal für die Sparkasse, die Finanzierung der Baumaßnahme, dh. die Ausreichung von Kredit, "wegen fehlender Sicherheit" abzulehnen.

Nach erfolgter Kreditablehnung wurden die Grundstücke anschließend in Anspruch genommen.

 

Die Enteignungen betrafen aber nicht nur Mehrfamilienobjekte, sondern auch Einfamilienhäuser. Das Verfahren wich dabei in einigen Punkten von der dargestellten Praxis ab. Nach Überführung in Volkseigentum sollten und wurden hier die Gebäude an die privaten Nutzer bei gleichzeitiger Verleihung eines dinglichen Nutzungsrechts am volkseigenen Grundstück veräußert. Voraussetzung für die Inanspruchnahme war dabei die Bereitschaft bzw. vorherige Verpflichtung des Nutzers

 

a)   zum Erwerb des Gebäudes und

 

b)   zur Durchführung der angegebenen Baumaßnahmen auf seine Kosten, nötigenfalls durch Finanzierung über Kredit.

 

Nach jetzigem Kenntnisstand muß davon ausgegangen werden, daß dabei, anders als bei Mehrfamilienobjekten,

 

c)   die Baumaßnahmen regelmäßig nicht in den jeweiligen Objektlisten des Stadtbezirkes bzw. der Instandhaltungsliste des VEB KWV aufgeführt waren.[12]

 

Bis 1985 war aber auch bei den Einfamilienhäusern immer die Überschuldungslage notwendige Vorraussetzung für die Inanspruchnahme.

Mit dem seinerzeit ebenfalls streng geheimen Ministerratsbeschluß vom 3. Juli 1985

 

"Prüfung der gesetzlichen Regelungen über den Verkauf von "Westgrundstücken" und Festlegungen, daß die örtlichen Organe Entscheidungen im Rahmen der schöneren Gestaltung unserer Städte und Gemeinden zum Verkauf und zur Nutzung dieser Grundstücke treffen können" [13]

 

und dem ihm zugrundeliegende Beschluß des Politbüros des ZK der SED vom 2. Juli 1985 [14] wurde die bis dahin praktizierte Vorgehensweise jedoch ausgeweitet. Es wurde nunmehr intern zugelassen, daß bei Einfamilienhäusern die Inanspruchnahme auch erfolgen könne, "wenn die betreffenden Grundstücke noch nicht bis zum Zeitwert verschuldet sind oder eine Verschuldung auch in Zukunft nicht möglich ist." [15].

 

Entsprechend dieser Festlegung wurden in der Folgezeit in nicht bekannter Zahl über die BOL Eigenheime auch ohne Kreditablehnung seitens der Sparkasse und ohne nachweisliche Überschuldung in Anspruch genommen.

 

Zu der Fallgestaltung der ohne Überschuldung über die BOL enteigeneten Eigenheime liegt bisher - soweit ersichtlich - nur eine Entscheidung seitens der Rechtsprechung vor, die sich grundsätzlich mit der Problematik auseinandersetzt [16]. Demzufolge sollen allerdings Ansprüche der Alteigentümer auf Rückgabe oder Entschädigung mangels Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes ausscheiden. Die Vermögensverluste fielen aus dem Schutzbereich des Vermögensgesetzes, da die Inanspruchnahme nicht als diskriminierender Zugriff des DDR-Staates auf die betroffenen Eigenheime zu werten sei.

 

Diese Bewertung wird jedoch den historischen Gegebenheiten nicht gerecht und steht im Ergebnis im Widerspruch zum Sinn und Zweck des Vermögensgesetzes.

 

Richtig ist zwar, daß in diesen Fällen der Vermögenswert - der normativen Betrachtungsweise folgend - nicht entschädigungslos enteignet wurde (§ 1 Abs. 1 Buchst. a VermG), da sowohl Aufbau- als auch Baulandgesetz Entschädigungsregelungen vorsahen [17]. Angesichts der fehlenden Kreditablehnung seitens der Sparkasse greift zudem hier mangels einer Überschuldungslage der Überschuldungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG regelmäßig nicht.

 

Es ist jedoch aufzuzeigen, daß die Inanspruchnahmen u. U. schon den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchstabe b VermG ausfüllen und unabhängig davon als unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG anzusehen sind.

 

I. Diskriminierende Entschädigung

 

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die fraglichen Eigenheime verschiedentlich gegen eine geringere Entschädigung enteignet worden sind, als sie Bürgern der ehemaligen DDR zustand (§ 1 Abs. 1 Buchst. b VermG).

 

Denn entgegen landläufiger Vorstellungen ist auch bei Einfamilienhäusern, bei denen die Inanspruchnahme über die BOL erfolgte, u.U. diskriminierend entschädigt worden:

 

Bekanntermaßen [18] erfolgte die Berechnung der Geldentschädigung bis zum Erlaß der Grundsätze vom 28.07.1977 zur Anwendung der Preisbestimmungen für ausländische Grundstücke [19] einheitlich nach dem Entschädigungsgesetz vom 25.04.1960 [20] sowie der 2. DB zum Entschädigungsgesetz vom 30.04.1960 [21] i.V.m. der unveröffentlichten Richtlinie des Ministeriums der Finanzen vom 04.05.1960 "Bewertung in Anspruch genommener Grundstücke" sowohl für Eigentümer mit Wohn-/Geschäftssitz in der früheren DDR als auch außerhalb der DDR, einschließlich der Eigentümer, deren Vermögen staatlich verwaltet wurde [22].

Erst ab Juli/August 1977 ist die Höhe der Geldentschädigung bei Enteignungen nach dem Aufbaugesetz für Grundstücke von "Berechtigten aus kapitalistischen Staaten und Westberlin" nach den Vorgaben des sog. Preisbeschlusses berechnet worden, während die Bewertungsrichtlinie vom 04.05.1960 im Prinzip unverändert für DDR- Eigentümer und diesen gleichgestellte Personen Anwendung fand. Der Preisbeschluß vom 28.07.1977 [23] war als Bestandteil eines Bündels von Maßnahmen zur Sicherung des Vollzugs des Vermögensbeschlusses des Politbüros des Zentralkomitees der ehemaligen SED vom 27.01.1976 vor allem darauf gerichtet, durch veränderte Auslegung der Preisvorschriften die Bildung niedriger Preise zu gewährleisten, um die Überschuldungsgrenze der Grundstücke zu reduzieren sowie geringere Entschädigungsbeträge für in das sog. Eigentum des Volkes überführte Grundstücke feststellen zu können.

Durch die Verschuldung und planmäßige Reduzierung des Vermögens sollte die Position der DDR in künftigen Vermögensverhandlungen mit ausländischen Staaten und der Bundesrepublik Deutschland gefestigt werden.

 

Die Auswirkungen der Preisbeschlüsse zeigten sich zwar am deutlichsten bei Mietwohngrundstücken, die aufgrund der Wohnungspolitik der DDR (Beibehaltung gestoppter Mietpreise bei steigenden Kosten für Baumaßnahmen sowie Bewirtschaftung und Verwaltung) überwiegend unrentabel waren und ab 1977 nicht mehr nach dem Mittelwertverfahren (Sachwert + Ertragswert dividiert durch 2), sondern allein nach dem Ertragswert bewertet werden mußten.

 

Es fand bisher jedoch weniger Beachtung [24], daß der "Preisbeschluß" vom 28.07.1977 u.U. bei Einfamilienhausgrundstücken ebenfalls Anwendung fand.

 

Der Beschluß umfaßt im einzelnen sechs Beschlußpunkte, denen zur Verdeutlichung des angestrebten Verfahrens die Anlagen 1 [25] und 2 [26] beigefügt wurden. Unter der Ziff. 1 des Preisbeschlusses wurde auf die Anlage 1 Bezug genommen. In dieser als Beschlußvorlage erstellten "Information" wurde die Anwendung der Preisbestimmungen und die sich daraus ergebenden Maßnahmen für die Behandlung von "Westvermögen" erörtert. Die zu treffenden Maßnahmen wurden im einzelnen beschrieben, die sich aus dortiger Sicht ergebenden Probleme detailliert aufgezeigt und Lösungsmöglichkeiten entwickelt.

In der Anlage 1 werden als Maßnahmen vorgeschlagen:

 

-    die Begrenzung der Grundstückspreise auf 100,-- M/m²,

-    die Anwendung der Grundsätze aus der Anlage 2 bei vor 1945 errichteten Gebäuden von "Westeigentümern" und

-    die Anwendung der Ertragswertmethode für Mietwohngrundstücke bei "Westeigentümern".

 

In diesem Zusammenhang wurde zwar festgestellt, daß Einfamilienhäuser nicht nach der Ertragswertmethode, sondern nach der Sachwertmethode zu entschädigen sind und daß dieser Grundsatz ebenso bei DDR-Bürgern Anwendung findet [27]. Die Anwendung der Ertragswertmethode auch bei diesen Grundstücken erschien den Verfassern im Hinblick auf ihre Zielsetzung, auf verdecktem Wege eine Verbesserung Ihrer Position in den vermögensrechtlichen Verhandlungen mit der Bundesrepublik zu erreichen, sachlich und politisch nicht opportun, da die Ertragswertberechnung zu offensichtlich niedrigeren Entschädigungen geführt und innerdeutsche Konflikte ausgelöst hätte.

Jedoch wird bei den Grundsätzen der Anlage 2 - die vom Ministerrat im vollem Umfang bestätigt wurde [28] - deutlich, daß auch bei Einfamilienhäusern unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe zwischen Eigentümern sozialistischer und kapitalistischer Staaten angelegt werden sollten. Diese in der Anlage 2 niedergelegten Grundsätze galten ausschließlich für "Westeigentümer".[29] Insbesondere die in Ziff. 9 und 10 der Anlage 2 getroffenen Regelungen dienten dem Ziel der diskriminierenden Entschädigung von Einfamilienhäusern und Wochendgrundstücken. Wohl angesichts der Tatsache, daß solches Westvermögen zum großen Teil Altbestände betraf, wurden hier diskriminierende Regelungen für Bauten aus der Zeit vor 1945 (bzw. später erweitert auf vor 1948) beschlossen. Berechnungstechnisch wurden die Bewertungsunterschiede mittels dreier unterschiedlicher Methoden erreicht, die sowohl alternativ als auch kumulativ zum Einsatz kamen:

 

a)   durch die Nichtberücksichtigung erfolgter Instandsetzungsmaßnahmen , insbesondere mit der Folge einer verkürzten (besser: nicht erhöhten) Restnutzungsdauer (Ziff. 10).
(Dies stellt im Verhältnis zu den allgemein geltenden Regelungen eine Diskriminierung dar. Denn unter Instandsetzung verstand man die Beseitigung von Bauschäden zur Wiederherstellung der vollen Gebrauchsfähigkeit der Gebäude. Sie beseitigt oder verzögert den Verfall der Bausubstanz mit dem Ziel, die sog. normative Nutzungsdauer [= nach Bewertungsgesetzen anzusetzende angenommene durchschnittliche Nutzungsdauer] zu erreichen oder zu erhöhen.[30] Aufwendungen für Instandsetzungen erhöhen daher entgegen der in Ziff. 10 getroffenen Regelung normalerweise - und bei Osteigentümern auch so praktiziert[31] - die normative Nutzungsdauer, damit verringert sich der nach den allgemeinen Preisvorschriften anzusetzende "Abschreibungssatz", d.h. der Wert des Gebäudes erhöht sich. [32] [33])

 

b)   aus dem Ansatz unterbliebener Instandsetzungsmaßnahmen mit den zum Zeitpunkt der jeweiligen Bewertung geltenden Baupreisen (Ziff. 9), und nicht - wie beim Gebäudewert - gemäß der nach der allgemein gültigen Stoppreisregelung geltenden niedrigeren Preisbasis.
(Aus den Bestimmungen des Entschädigungsgesetz vom 25.04.1960 [34] i.V.m. der unveröffentlichten Richtlinie des Ministeriums der Finanzen vom 04.05.1960 [35] sowie der Preisverfügung 3/82 [36] i.V.m den Hinweisen des Ministerrates [37] folgt dagegen, daß für Gebäude, einschließlich An-, Um- und Ausbauten sowie für wertverbessernde Maßnahmen, Preise auf der Grundlage der nachzuweisenden preisrechtlich zulässigen Baukosten des jeweiligen Baujahres anzuerkennen sind, wie es bei Ostvermögen auch berechnet wurde.)

 

c)   aus der Verwendung des Baupreisindex 135 statt des ansonst gültigen - und nach Auskunft ehemaliger Mitarbeiter bei Ostvermögen auch angesetzten - Index von 160 [38].

 

Dies führte - zumindest in Einzelfällen - nach 1977 auch bei Einfamilienhäusern im Ergebnis zu einer diskriminierend geringen Entschädigung der betroffenen Westeigentümer. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich diese Praxis auch über das Jahr 1985 hinaus fortsetzte [39]. Hier ist im Einzelfall eine genaue Prüfung, erforderlich, die wohl nur mittels Sachverständige zu leisten ist.[40]

 

II. Unlautere Machenschaften

 

Unabhängig davon, ob im Einzelfall eine diskriminierende Entschädigung festzustellen ist, sind die Enteignungen von Einfamilienhäusern über die besondere Objektliste nach 1985 zudem generell als unlautere Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG einzustufen.

 

Gemäß § 1 Abs. 3 VermG können Ansprüche an Vermögenswerten dann geltend gemacht werden, wenn aufgrund unlauterer Machenschaften, z.B. durch Machtmißbrauch, Korruption, Nötigung oder Täuschung von seiten des Erwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter Eigentumsrechte an Grundstücken oder Gebäuden erworben wurden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts [41] ist eine Inanspruchnahme, das gilt vor allem für Enteignungen nach den Aufbau-, Bauland,- und Verteidigungsgesetzen der DDR, nur dann als unlautere Machenschaft zu bewerten, wenn sie willkürlich war. Eine einfache Rechtswidrigkeit, etwa weil bestimmte Regelungen nicht beachtet wurden, reicht für die Annahme des § 1 Abs. 3 VermG nicht aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sind willkürliche Inanspruchnahmen dabei zwar grundsätzlich in zwei Fallgruppen denkbar:

a) Verschleierung des wahren Enteignungszweckes:

hier haben staatliche Organe ein von den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich gedecktes Vorhaben als Enteignungszweck nur vorgeschoben, um in Wahrheit zu gänzlich anderen Zwecken das Eigentum an dem Grundstück zu erlangen 

b) eine nur scheinbar gesetzmäßige Enteignung:

diese Fallgruppe umfaßt Inanspruchnahmen, bei denen die Manipulation der staatlichen Organe nicht in einer Verschleierung des wahren Enteignungszwecks, sondern vielmehr darin liegt, daß der wahrheitsgemäß angegebene Zweck der Inanspruchnahme offenkundig von keinem Gesetz gedeckt ist. Hier gaben die staatlichen Stellen dem Enteignungsbeschluß also nur den äußeren Schein einer gesetzmäßigen Vermögensentziehung [42].

 

Die vorliegenden Enteignungsfälle lassen sich zwar vielleicht nicht ohne weiteres eine der genannten Fallgruppen zuordnen. Instandsetzungsmaßnahmen dürften angesichts des allgemeinen Zustandes der Bausubstanz regelmäßig wirklich angestanden haben.[43] Ob die Enteignungen "offenkundig" gesetzlich nicht zu legitimieren waren, ist letztlich eine Frage der Sichtweise und damit zweifelhaft.

 

Gleichwohl muß der erfolgte Eigentumsentzug grundsätzlich als unlautere Machenschaft bezeichnet werden. Denn die Inanspruchnahmen verstießen nicht nur gegen das Recht der DDR. Sie waren darüber hinaus als unmittelbarer Ausdruck der gezielten und planmäßigen Diskriminierung des sog. Westeigentums seitens der staatlichen Behörden der ehem. DDR auf Grundlage der geheimen Ministerratsbeschlüsse vom 23.12.76, vom 20.07.1978 und insbesondere vom 3. Juli 1985 willkürlich, indem hier die betroffenen Eigentümer im Verhältnis zu vergleichbaren anderen Eigentümergruppen aus vom Gesetz nicht gedeckten Motiven heraus planmäßig benachteiligt wurden.

 

1.

Die Enteignungen waren nach den eigenen Rechtsvorstellungen der DDR rechtswidrig.

 

Die danach geltenden Voraussetzungen der angewendeten Ermächtigungsnorm, also regelmäßig des Baulandgesetzes vom 15.06.1984, sind bei der Enteignung nicht eingehalten worden.

 

Nach § 16 Abs. 3 Baulandgesetz konnten zwar Eigentumsrechte an Grundstücken für Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden zum Zwecke der Modernisierung, des Um- und Ausbaus sowie der Instandsetzung - nicht jedoch für reine Instandhaltungsarbeiten (§§ 1 Abs. 1, 16 Abs. 2 BLG) - entzogen werden. Gemäß § 16 Abs. 3 Ziff. 1 BLG war eine Enteignung aber nur zulässig für geplante Baumaßnahmen, die nachweislich im Volkswirtschaftsplan enthalten waren [44]. Bei Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden reichte dabei die Aufnahme in die Standortplanung (anders als bei der Neuerrichtung eines Eigenheimes (§ 12 I Ziffer 2 BLG) nicht. Nötig war hier die Einstellung der Baumaßnahme selbst in den Fünfjahres- oder Jahresvolkswirtschaftsplan. Konkret gemeint war damit unter den in Berlin gegebenen Umständen die Instandsetzungsliste des Stadtbezirkes, die als Teil des Volkswirtschaftsplanes vom Rat des Stadtbezirkes bestätigt war. Hierin waren die einzelnen Maßnahmen, aufgegliedert nach einzelnen Objekten, materiell geplant. Daneben gab es zudem Instandhaltungspläne bei der jeweiligen VEB KWV [45]. Die Aufnahme in den Volkswirtschaftsplan mußte bei Antragstellung nachgewiesen werden (Anlage 2 zu § 11 Durchführungsverordnung zum Baulandgesetz, dort Ziff. 2). Ein Antrag der diese Voraussetzung nicht erfüllte, war als unzulässig abzuweisen. Dies galt auch, soweit die Baumaßnahme im Rahmen des "Mach-mit"-Wettbewerbes erfolgte [46]. Antragsberechtigt war zudem nur der sog. Bauauftraggeber. Bauauftraggeber konnten aber nur die in § 1 Abs. 1 BLG genannten öffentlichen Institutionen, Betriebe und Einrichtungen und Institutionen sein, nicht ein Bürger. Ausschließlich für den Eigenheim(neu)bau von Bürgern konnte gemäß § 12 BLG (zu Gunsten Volkseigentum mit Verleihung eines dinglichen Nutzungsrechtes an Bauwilligen) enteignet werden; als Bauauftraggeber fungierte dann der Rat der Stadt oder des Stadtbezirkes etc. Für andere Baumaßnahmen Privater, z.B. Wochenendhäuser, durfte keine Enteignung erfolgen, auch nicht, wenn vorderhand die ansonsten zulässigen Bauauftraggeber fungierten [47]; das Baulandgesetz sah dies nur für den Eigenheimbau vor. Zulässig war daher auch nicht eine Enteignung für z.B. Instandsetzungsarbeiten, die Private selbst durchführen wollten (und mit denen nicht eine erstmalige Nutzung als Eigenheim erzielt wurde).

Die Beschränkung der Zulässigkeit von Enteignungen zu Gunsten Privater auf den Eigenheimneubau war nicht zufällig. Sie folgte unmittelbar aus den grundlegenden Rechtsprinzipien und der Ideologie der DDR. Das Aufbaugesetz von 1950 als Vorgänger des Baulandgesetzes sah Enteignungen zunächst nur für den Fall vor, daß die im Aufbaugebiet geplanten Baumaßnahmen im Volkswirtschaftsplan eingestellt waren und von einem öffentlichen Bauauftraggeber (staatliche Organisationen, sozialistische Genossenschaften, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und Betriebe mit staatlicher Beteiligung) aus Staatsmitteln durchgeführt wurden. Eine Enteignung zu Gunsten eines Privaten als Berechtigten war nicht vorgesehen und nicht zulässig. Die Person des Berechtigten wird dabei wesentlich dadurch bestimmt, in wessen Eigentum das Gebäude übergehen und wem die Nutzung zugute kommen sollte [48]. Die Beschränkung auf Inanspruchnahmen zugunsten gesellschaftlicher Institutionen und Einrichtungen leitete sich unmittelbar aus der ideologischen Legitimationsgrundlage des Gesetztes ab. Denn nach sozialistischem Rechtsverständnis fand diese Eingriffsermächtigung ihre Rechtfertigung in dem Vorrang gesellschaftlicher Interessen vor den Eigentumsrechten einzelner Bürger. Die Rechtswissenschaft der DDR sah demgegenüber Enteignungen zu Gunsten Privater aus ideologisch-moralischer Sicht als bedenklich an, da diese nicht direkt dem Allgemeinwohl dienen und Interessen Privater grundsätzlich nicht den Eingriff in das persönliche Eigentum anderer rechtfertigen würden. Das Thema wurde in den 60`Jahren eingehend von der (staatlich gelenkten) Rechtslehre problematisiert. Dabei wurde der dogmatische Ansatzpunkt ausdrücklich aufrechterhalten. Lediglich für den Fall des Eigenheimbaues auf ansonsten nicht nutzbaren Grundflächen sah man ein ausreichendes mittelbares gesellschaftliches Interesse für gegeben an, daß den Eingriff in das persönliche Eigentum der Bürger rechtfertigen könnte. Es wurde angeregt, die Gesetzeslage dahingehend zu korrigieren, unter Einhaltung strenger Voraussetzungen die Inanspruchnahme zu Gunsten des privaten Eigenheimerbauers zu ermöglichen [49]. Eine entsprechende Regelung erfolgte dann mit der zweiten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz vom 29.9.1972 [50]. Dort wurde in § 2 der Durchführungsbestimmung unter ganz bestimmten Voraussetzungen die Inanspruchnahme zu Gunsten von Bürgern für deren Eigenheimbau zugelassen. Eine solche Möglichkeit wurde aber weder für Instandsetzungs- oder Umbau- und Ausbaumaßnahmen noch für die Modernisierung [51] geschaffen [52]. (Eine Enteignung für reine Instandhaltungsmaßnahmen war ohnehin nicht zulässig [53].) Hier galten also weiterhin die allgemein geltenden Restriktionen, so daß für Instandsetzungs-, Umbau- und Ausbaumaßnahmen sowie für die Modernisierung eine Enteignung nur zu Gunsten der genannten gesellschaftlichen Einrichtungen und Institutionen als Berechtigte und für entsprechende Baumaßnahmen (die also in den Investitionsbebauungs- oder anderen staatlichen Plänen aufgenommen waren) zulässig war [54]. Eine Enteignung mit dem Ziel, solche Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden nach Weiterveräußerung des Gebäudeeigentums durch Bürger zu ermöglichen, war also auch nach 1972 nicht durch die gesetzliche Grundlage gedeckt.

 

Diese Rechtslage wurde dann ohne diesbezügliche inhaltliche Änderung vom Baulandgesetz übernommen.

 

Bei den hier zu erörternden Fällen wurde demgegenüber für Instandsetzungsmaßnahmen oder sogar Instandhaltungsmaßnahmen enteignet, die von einem Privaten auf eigene Kosten durchgeführt werden sollte. Diese dürften im Regelfall nicht in den Volkswirtschaftplan eingestellt gewesen sein. Vielmehr ging man wohl davon aus, daß die Erwerber wie sonstige Private diese auf irgendeine Art und Weise selbst durchführen würden.[55]

 

2.

Den Inanspruchnahmen überdehnten aber nicht nur die herangezogene Ermächtigungsgrundlage.

Angesichts der vorrangigen Zielsetzung des Vermögensgesetzes, gerade das Teilungsunrecht zu erfassen, sind sie darüber hinaus auch als willkürlich einzustufen.

 

Sie sind unmittelbarer Ausdruck der gezielten und planmäßigen Diskriminierung des sog. Westeigentums seitens der staatlichen Behörden der ehem. DDR auf Grundlage der geheimen Ministerratsbeschlüsse vom 23.12.1976, vom 20.07.1978 und vom 3. Juli 1985. Auf Grund dieser wurde seitens der DDR-Staatsmacht die formal gegebene Ermächtigungsgrundlage, unter Verstoß gegen die sonst für sie seinerzeit geltenden Rechtsansichten, gezielt und systematisch im geheimen umfunktioniert, um in erster Linie nicht die durch die angewandten Gesetze legitimierten Zwecke zu erfüllen. Angestrebt wurde vorrangig eine Reduzierung des Westeigentums vor allem im Hinblick auf die seitens vor allem der Bundesrepublik geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche. Die betroffenen Eigentümer wurden dafür im Verhältnis zu vergleichbaren anderen Eigentümergruppen planmäßig benachteiligt.

 

Diese Bewertung ist unabhängig davon zu treffen, ob die Inanspruchnahme unter dem Vorwand der Überschuldung oder wie nach 1985 auch ohne eine solche erfolgte. Entscheidend ist vielmehr, daß bei den Grundstücken über die besondere Objektliste verfahren wurde. Dies war die äußere Kennzeichnung dafür, daß bei dem betroffenen Grundstück gemäß der in den genannten Ministeratsbeschlüssen festgelegten speziellen Grundsätze für die Behandlung des sog. Westeigentums verfahren werden sollte. Diese Regelungen benachteiligten die Betroffenen zu vergleichbaren anderen Eigentümern neben vielen anderen Aspekten jedenfalls in dem zentralen Punkt, daß ansonsten anfällige Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen regelmäßig nicht Anlaß für einen Eigentumsentzug bildeten.

 

Dies gilt zunächst schon im Verhältnis zu den Grundstücken, die seit 1978, evtl. in bestimmten Gebieten schon seit 1976, mit dem Vorwand der Überschuldung in Anspruch genommen wurden.

Instandsetzungs- bzw. Instandhaltungsmaßnahmen wurden bei Nichtwesteigentum und zudem bis hin zum Ende der DDR auch bei Westeigentum, welches nicht als besondere Objektliste qualifiziert wurde, ohne Eigentumsentzug durch Kredite der Sparkasse, oder bei Flüchtlingsvermögen i. S. der AO Nr. 2 auch aus den Werterhaltungsfonds des betreffenden VEB, auch über irgendwelche Kreditlimits hinaus finanziert [56].

Bei den auf die BOL gesetzten Grundstücken war dagegen die Kennzeichnung "besondere Objektliste" für die Sparkasse das planmäßige Signal, die Kreditierung bei Erreichen des Kreditlimits - entgegen den üblichen Gepflogenheiten - abzulehnen, was die Inanspruchnahme dann nach außen hin als erforderlich rechtfertigen sollte. (Dabei sollten bezeichnenderweise nur solche Grundstücke auf die Objektliste gesetzt werden, die mit "volkseigenen" Forderungen belastet waren, so daß nach der damit vorgenommenen Verrechnung faktisch keine Entschädigungsleistungen zu Gunsten der betroffenen Westeigentümer verblieben!)

 

Diese Schlechterstellung der betroffenen Westeigentümer war sachlich auch schon bei gegebener oder drohender Überschuldung nicht begründet. Denn auf der einen Seite wurden sie hinsichtlich der mit dem Eigentum verbundenen Lasten über die Niedrigmietenpolitik mit den in der DDR lebenden Eigentümern gleichgestellt. Sie wurden damit zur Finanzierung der sog. "Zweiten Lohntüte" - ein tragendes Element der offiziellen DDR-Propaganda - herangezogen. Hinsichtlich der daraus zwangsläufig folgenden ökonomischen Konsequenzen wurde ihnen andererseits aber die Gleichbehandlung verwehrt. Denn die niedrigen Mieten reichten bekanntermaßen generell nicht zur Finanzierung der notwendigen Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen. Diese mußte daher notwendigerweise über eine unlimitierte Kreditierung von Baumaßnahmen über Kredite der Sparkassen oder bei dem der AO Nr. 2 vom 3.10.1958 unterfallenden  Flüchtlingsvermögen aus Werterhaltungsfonds des jeweiligen VEB finanztechnisch subventioniert und ausgeglichen werden, was allgemeinhin bis zur Wende auch geschah. Die Subventionierung der Baumaßnahmen war daher die systemimanente Kehrseite der Niederigmietenpolitik. Beides kann nur zusammengesehen richtig bewertet werden [57].

 

An dieser Einschätzung ändert sich nichts, wenn nach 1985 Einfamilienhäuser ohne Vorliegen einer Überschuldungslage in Anspruch genommen wurden.

 

Mit oben genannten Ministerratsbeschluß vom 3. Juli 1985 (vgl. die Anlage zum Beschluß, dort Ziff. 2) wurde vielmehr die bis dahin praktizierte Vorgehensweise lediglich nur noch weitergehender zu Lasten der betroffenen Westeigentümer ausgeweitet. Nun wurde bei Einfamilienhäusern sogar von der Notwendigkeit einer Überschuldungslage abgesehen, obwohl dies sonst als unabdingbar galt, um eine Inanspruchnahme für Instandsetzungsmaßnahmen - zumindest formal - als erforderlich zu rechtfertigen.

 

Die Annahme, der Beschluß habe lediglich die Zielsetzung verfolgt, die Eigeninitiative der Nutzer von Einfamilienhäusern zur Instandsetzung und Modernisierung von Wohnraum zu fördern, da staatliche Mittel in der DDR nicht ausreichend zur Verfügung gestanden hätten und ohne eine solche rechtliche Absicherung die Nutzer die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen zur Erhaltung des Wohnraumes nicht durchgeführt hätten [58], geht an den tatsächlichen Verhältnissen vorbei.

 

Die Instandhaltung des Wohnraumes scheiterte zunächst bekanntermaßen nicht an dem mangelnden Willen der seinerzeitigen Nutzer, die vielfach in der DDR erhebliche Eigenleistungen zur Erhaltung "ihres" Wohnraumes aufbrachten, sondern an dem unter der Planwirtschaft allenthalben herrschenden Mangel an Baumaterialien und Baukapazitäten. Mit anderen Worten: Die systematische Enteignung des Westeigentums zur Überführung des Gebäudeeigentums in private Hand führte von vornherein ersichtlich unter den Bedingungen der sozialistischen Planwirtschaft zu keiner wirklichen ökonomischen Entlastung der DDR, auch wenn die angestrebten Baumaßnahmen dann nicht durch den Staatshaushalt, sondern die privaten Erwerber finanziert werden sollten. Denn entscheidend waren in dieser Wirtschaftsordnung nicht die zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Letztendlich entscheidendes Planungsinstrument waren hier, anders als in der Marktwirtschaft, nicht die finanziellen Fonds, sondern die sog. materiellen Fonds. Die immer knappen Baumaterialien und Kapazitäten unterlagen dabei auch für den privaten Bauherrn - bis auf volkswirtschaftlich nicht wesentliche Ausnahmen - der zentralen Planung und konnten nur aus den allgemein zur Verfügung stehenden Ressourcen bereitgestellt werden. Diese Ressourcen wurden aber durch die Enteignung nicht vermehrt. Vielmehr wurden die Erwerber damit auf die freien Kontigente verwiesen, die vor allem durch ihren Absenz den Alltag der DDR prägten. Offensichtlich war es den Verantworlichen klar, daß es sich hierbei nicht nur um keine "geplanten" Baumaßnahmen im Sinne des Baulandgesetztes handelte, sondern regelmäßig mit der Enteignung die Durchführung der Baumaßnahme auch überhaupt alles andere als gesichert war. Aus volkswirtschaftlicher Sicht konnte also die vom Ministerrat angeordnete Überführung in persönliches Eigentum zu keiner Entlastung führen und nicht das Motiv der zentral angeordneten Enteignungen gewesen sein.

 

Vielmehr unterstreichen auch alle weiteren Umstände, daß die systematisch betriebenen Inanspruchnahmen lediglich das Ziel verfolgten, im Zusammenhang mit der von Seiten der DDR mit aller Macht angestrebten Anerkennung bei den in diesem Rahmen gefürchteten innerdeutschen Verhandlungen über die Regelung der offenen Vermögensfragen eine möglichst gute Verhandlungsposition zur Abwehr bzw. Minimierung der von westdeutscher Seite erhobenen Ausgleichsforderungen zu erlangen.

 

Dies erschließt sich schon aus der augenfälligen Kontinuität der Ereignisse.

Der formaljuristische Entzug der Eigentumsrechte in Form einer generalstabsmäßig organisierten Kampagne begann zunächst über den Verkauf des vorhandenen als auch des anfallenden, gemäß der AO Nr. 2 staatlich verwalteten Flüchtlingsvermögens durch den staatlichen Verwalter mittels der dafür eigens geschaffenen [59] VO vom 11.12.1968 [60]. Schon die politische Zielstellung des Beschlusses vom 11.12.1968 bestand bekanntermaßen darin, Ansprüche gegen die DDR in zwischenstaatlichen Verhandlungen über die offenen Vermögensfragen zu minimieren. Diese Politik fand bei gleichem Ziel ihre Erweiterung dann bezüglich des über die VO vom 11.12.1968 nicht zu erfassenden alten Westvermögens auf Grundlage der sog. Vermögensbeschlüsse mittels Enteignung mit dem Vorwand der Überschuldung. Dabei wurde festgestellt, daß bei Einfamilienhäusern nicht immer eine Überschuldung herbeizuführen war. Deswegen ging man 1985 noch weiter, und verzichtete hier kurzerhand auf diese Voraussetzung.

 

Dieser Fortsetzungszusammenhang ergibt sich nicht nur aus der Kontinuität und inneren Logik der tatsächlichen Vorgehensweise unter der bekanntermaßen seinerzeit weiterhin geltenden und mit oberster Priorität ausgestalteten Zielsetzung der seinerzeitigen Machthaber, mögliche vermögensrechtliche Ansprüche gegen die DDR weitgehend auszuschließen, wie dies in vielfältiger Weise allein schon durch die vom Bundesvermögensamt veröffentlichten Materialien [61] belegt ist. Vielmehr wird dieser auch im Ministerratsbeschluß und in dem ihm zugrundeliegenden Beschluß des Politbüros des ZK der SED vom 2. Juli 1985 [62] mehrfach schon im Titel und in der Einleitung der Beschlüsse selbst ausdrücklich ausgewiesen: "Grundsätze zur Erweiterung der Möglichkeiten für den Verkauf und die Nutzung des Grundbesitzes von Berechtigten aus kapitalistischen Staaten und Westberlin ..." [63] oder "In weiterer Verwirklichung der Grundlinie der Behandlung des in der DDR befindlichen Grundbesitzes von Berechtigten aus kapitalistischen Staaten und Berlin ..." [64].

 

Der Bewertung als diskriminierend widerspricht schließlich auch nicht, daß hier die Inanspruchnahmen im wesentlichen privaten Bürgern als nachfolgende Erwerber (des Gebäudeeigentums mit dinglichem Nutzungsrecht) zu Gute kam. Denn ihre Begünstigung ist lediglich das Spiegelbild der Benachteiligung der Westeigentümer, aus deren Sicht es unerheblich ist, ob der DDR-Staat das Vermögen sich selbst oder aber seinen Bürgern zugeschoben hat. Entscheidend ist vielmehr, daß der DDR-Staat  seine territorial gegebene Herrschaftsmacht gegenüber den ihn vermögensrechtlich Unterworfenen in Widerspruch zu dem von ihm selbst proklamierten Selbstbild, seinen eigenen Gesetzen und seinen Verpflichtungen in der Völkergemeinschaft als auch in Bezug auf die Bundesrepublik schlicht ausgenutzt hat.

 

Nur diese Fälle der Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes zu unterstellen wird angesichts der vornehmlichen Zielsetzung des Vermögensgesetzes, gerade das Teilungsunrecht zu erfassen, im Ergebnis auch dem Gleichheitssatz gerecht.

Denn alle anderen Vermögensverluste, die auf den genannten Strategien zur Reduzierung des Westvermögens beruhen,  werden ansonsten vollständig vom Gesetz erfaßt. Dies gilt nach § 1 Abs. 1 VermG zunächst für die Verkäufe aus staatlicher Verwaltung. Aber auch auf alle sonstigen Enteignungen von Westvermögen, auf welche die geheimen Ministerratsbeschlüsse Anwendung fanden, bei denen dies also seinen äußeren sinnfälligen Ausdruck in der Kennzeichnung im Range einer Stigmatisierung als "besondere Objektliste" fand, ist von vornherein das Vermögensgesetz anwendbar. Es greift regelmäßig bei Mietwohngrundstücken nicht nur der Tatbestand der diskriminierenden Entschädigung wegen Anwendung der Ertragswertmethode (§ 1 Abs. 1 Buchstabe b VermG) sondern notwendigerweise auch der Überschuldungstatbestand (§ 1 Abs. 2 VermG). Bei Einfamilienhäuser, die bis 1985 über die besondere Objektliste enteignet wurden, ist zudem gleichfalls für Instandsetzungs- bzw. Instandhaltungsmaßnahmen in Anspruch genommen und routinemäßig der Kreditantrag von den Sparkassen abgelehnt worden. Auch hier greift also der Überschuldungstatbestand. Es wäre mit dem Sinn und Zweck des VermG nicht vereinbar, wenn dagegen lediglich die gleichfalls auf Grundlage der geheimen Ministerratsbeschlüsse und der besonderen Objektliste in diskriminierender Weise nach 1985 enteigneten Einfamilienhäusern einer anderen Beurteilung unterworfen würden. Insoweit hat der Mißbrauchstatbestand diese Lücke aufzufüllen. Er wird damit seiner Funktion als Auffangtatbestand auch für Fälle ausgesprochenen Teilungsunrechts gerecht, deren Hintergründe der Gesetzgeber seinerzeit angesichts seines damaligen Kenntnisstandes nicht überblicken konnte [65]. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß es hier an einer "individuellen Vermögensmanipulation" [66] fehle, und die Diskiminierung der "Rechtswirklichkeit der DDR" entsprochen habe, also auf die "allgemeine politische, gesellschaftliche und rechtliche Situation in der DDR zurückzuführen" [67] sei. Denn die schon vom Gesetzgeber ausdrücklich als unlautere Machenschaften anerkannten Ausreisefälle zeigen, daß der Begriff der unlautern Machenschaften nicht nur auf isolierte Einzelfälle zu beschränken ist, sondern auch Gruppendiskriminierungen erfaßt, jedenfalls soweit in diesen - wie hier - die Benachteiligungsabsicht des DDR-Staates gegenüber ihm nicht zugehörige oder ihn verlassende Bürger zum Ausdruck kommt.[68]

 

Die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes nach § 1 Abs. 1 bis 6 VermG hier dennoch zu verneinen, würde dagegen praktisch zu keiner Einschränkung vermögensrechtlicher Ansprüche führen. Denn dies hätte lediglich zur Folge, daß aufgrund der grob rechstaatswidrigen Benachteiligung der Betroffenen dann jedenfalls das (insoweit subsidiäre) Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) [69] greifen würde [70], welches über § 1 Abs. 7 VermG zu den selben vermögensrechtlichen Folgeansprüchen, also Rückgabe bzw. Entschädigung, führt. Die Ausschlußfrist für den dazu notwendigen Antrag [71] ist gerade auf den 31. Dezember 1997 verlängert worden [72].

 

 

 

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[1]Dieser Aufsatz ist erschinen in der Zeitschrift Offene Vermögensfragen (ZOV) 1996 S. 155 ff.

[2]Rechtsanwalt Peter Baumhaus, Junkerstr. 3 48153 Münster (= v i. S. d. Presserechts)
war beratender Anwalt des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen in Berlin

[3] GVS 3/62 - 4/76

[4] GBl. I S. 965

[5] GBl. II S. 641

[6] GBl. I S. 257

[7] Gesetz über die Bereitstellung von Grundstücken für Baumaßnahmen (Baulandgesetz) vom 15.06.1984 (GBl. I S. 201) (BLG)

[8] Die BOL wurde dabei seinerzeit nicht durchgehend als einheitliche Liste geführt. Immer wurde aber die jeweilige Altakte seitens der Abteilung Finanzen des Magistrats mit der ausdrücklichen Kennzeichnung "besondere Objektliste (BOL)" versehen. In Berlin hat das Landesvermögensamt die hier betroffenen Grundstücke nunmehr in einer einheitlichen Aufstellung zusammengefaßt, die allen Vermögensämtern in Berlin zur Verfügung steht.

[9] VEB KWV = Volkseigener Betrieb Komunale Wohnungsverwaltung

[10] Wurde auch als "Bereich Vermögensverwaltung" bezeichnet, ein eigens in den Jahren 1977/1988 zur Umsetzung der Vermögensbeschlüsse geschaffener und unter strengster Geheimhaltung geführter Bereich. Positionen wurden nur mit besonders ausgewählten und zuverlässigen Kadern besetzt, die "speziell" angeleitet wurden durch die Abteilung Finanzen des Magistrates.

[11] Nach Angaben früherer Verantwortlicher sollen Westgrundstücke dabei nicht extra auf die Objektlisten beim Stadtbezirk gesetzt worden sein, um eine Enteignung zu ermöglichen. Vielmehr sei Ausgangspunkt immer die davon unabhängig bestehende Bauplanung gewesen.
Aus einer Stellungnahme des 1. Stellvertreters des Stadtbezirksbürgermeister Berlin-Treptow aus dem Jahre 1978 - unveröffentlicht - ist jedoch zu entnehmen, das es im Hintergrund wöchentliche, monatliche und jährliche Koordinierungssitzungen zwischen den beteiligten Funktionsträgern aller  Ebenen gegeben hat, in dem die Verfahren koordiniert wurden. Die in dem vorliegenden Papier enthaltenen Ausführungen ( siehe dort Ziff. 3) legen zumindest die Vermutung nahe, daß wenigstens bei privat verwalteteten Objekten planmäßig nach geeigneten Objekten geforstet wurde, die entweder die Voraussetzungen für eine Enteignung mitbrachten oder aber in diese Richtung entwickelt (also insbesondere überschuldet) werden konnten, um sie dann gesammelt in die jeweilige Objektliste des Stadtbezirkes zu übernehmen.

[12]Die Objektlisten des Stadtbezirkes erfaßte zwar sowohl Grundstücke in Volkseigentum als auch in Privatbesitz, dabei nicht nur staatlich oder privat verwaltete Eigentum. Plätze auf dieser Liste waren aber schwer umkämft. Dort aufgenommen zu werden, war für Privateigentümer häufig nur über beste Beziehungen möglich. Aus so manchem Fall läßt sich entnehmen, daß die wirkliche Durchführung der Baumaßnahmen seitens der seinerzeitigen Bearbeiter nicht wirklich interessierte und als reine Privatsache der Erwerber angesehen wurde. Vielfach fehlt daher schon eine Verpflichtungserklärung der Erwerber zur Durchführung der Baumaßnahme.

[13] abgedruckt in der Schriftenreihe des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, Heft 1, "Behandlung des in der ehemaligen DDR belegenen Grundbesitzes von Berechtigten außerhalb dieses Gebietes", S. 429

[14] Schriftenreihe aaO, S. 431 ff

[15] vgl. Beschluß des Politbüros des ZK der SED, dort Ziff. 1 und 2

[16] Urteil der 31 Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. Juni 1994, Az.: VG 31 A 22/93

[17] vgl. § 14 Aufbaugesetz, § 18 Baulandgesetz

[18] vgl. dazu die Informationsmaterialien des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen in Berlin, zu beziehen über das dortige Bürgerbüro und demnächst auch in T-Online unter *Berlin#

[19] unveröffentlicht

[20] GBl. I S. 257

[21] GBl. I S. 308

[22] verwaltet gemäß § 2 VO vom 04.09.1952 zur Sicherung von Vermögenswerten (VOBl. I S. 445), Anweisung vom 18.11.1961 über die Behandlung der in der Hauptstadt der DDR (demokratisches Berlin) befindlichen Vermögenswerte Westberliner Bürger und juristischer Personen mit Sitz in den Westsektoren (unveröffentlicht) bzw. VO vom 18.12.1951 über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in Groß-Berlin (VOBl. I S.565)

[23]Beschluß des Ministerrates "über die Anwendung der Preisbestimmungen im Grundstücksverkehr der DDR vom 28. Juli 1977; Schriftenreihe BAROV, Heft 1, S. 84 ff

[24]  Darauf hingewiesen haben jedoch: Tatzkow / Hennicke " Kalte Enteignungen" von Grundstücken nach dem Aufbau- bzw. Baulandgesetz, Materialien und Vortrag zum 3. Berliner Vermögenskongreß

[25] Anlage 1 = Information über die Anwendung der Preisbestimmungen im Grundstücksverkehr der DDR und die sich daraus ergebenden Maßnahmen zur weiteren Durchführung der Grundlinie der Behandlung des in der DDR befindlichen Vermögens von Berechtigten aus kapitalistischen Staaten und Westberlin; Schriftenreihe BAROV, Heft 1, S. 88 ff

[26] Anlage 2 = Grundsätze vom 28.07.1977 zur Anwendung der Preisbestimmungen für ausländische Grundstücke, Anlage 2 zum Beschluß des Ministerrates; Schriftenreihe BAROV, Heft 1, S. 99 ff

[27] vgl. 2.4. der Anlage 1

[28] vgl. Ziffer 3 u. 4 des Beschlusses

[29] Es galt der oberste Grundsatz, daß DDR-Bürger durch Anwendung der Vermögensbeschlüsse keine Nachteile erleiden durften. Im Einzelnen wurde dabei durch ein kompliziertes Regel-Ausnahme-System sichergestellt, daß DDR- Bürger von den Auswirkungen der nachteiligen Regularien verschont blieben. Die für DDR-Bürger erlaubten "Ausnahmen" wurden regelmäßig zu ihren Gunsten angewendet. Vgl. z.B. die Hinweise zur "Preisverfügung Nr. 3/82 zur Anwendung des geltenden Preisrechts bei der Bewertung von unbebauten und bebauten Grundstücken" des Ministerium der Finanzen - Amt für Preise vom 9. Dezember 1982, dort Zif. 4, 7.1 (7.1.6 - Stichwort Zusatzvereinbarung) einerseits und andererseits die Grundsätze für die Anwendung der Preisverfügung Nr. 3/87 vom 30. April 1987, dort 2.7. (abgedruckt in Schriftenreihe BAROV, Heft 1, S. 145 ff); Auch die Stellungnahme des 1. Stellvertreters des Stadtbezirksbürgermeister Berlin-Treptow aus dem Jahre 1978 - unveröffentlicht -, dort Zif.: 3.1 weist darauf ausdrücklich hin.

[30] vgl. Arlt/Rhode, Bodenrecht, Staatsverlag der DDR, 1967, S. 196

[31] vgl.: Ministerium der Finanzen - Amt für Preise: Hinweise zur "Preisverfügung Nr. 3/82 zur Anwendung des geltenden Preisrechts bei der Bewertung von unbebauten und bebauten Grundstücken" vom 9.Dezember 1982, dort Zif. 4, 7.1 (7.1.6 - Stichwort Zusatzvereinbarung) einerseits und andererseits Grundsätze für die Anwendung der Preisverfügung Nr. 3/87 vom 30. April 1987, dort 2.7. (abgedruckt in Schriftenreihe BAROV, Heft 1, S. 145 ff);

[32] vgl. auch: Magistrat von Berlin, Abteilung Preise, Hinweise zur Preisverfügung Nr. 3/82 zur Anwendung des geltenden Preisrechts bei der Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken in Berlin vom 30.5.1984; Kammer der Technik, Fachverband Bauwesen, FUA Wertermittlung, Arbeitsgrundlagen für Wertermittlung im Grundstücksverkehr (KHT Handbuch), 3. Aufl. 1972; Einzelheiten zu den Berechnungsmodalitäten können im übrigen nur durch einen Sachverständigen für Grundstücksbewertung angemessen dargelegt werden.

[33] Gegen den diskriminierenden Charakter einer unterbliebenen Anrechnung erfolgter Instandsetzungsmaßnahmen kann auch nicht eingewendet werden, daß diese Bauleistungen durch staatliche Mittel finanziert wurden, und daher dem Eigentümer nicht zu Gute zu halten seien. Dies war schon seinerzeit eine reine Schutzbehauptung der DDR, um ihre wirkliche Zielsetzung der Minimierung vermögenrechtlicher Ansprüche der Bundesrepublik zu kaschieren. Vielfach finden sich schon Fälle, in denen einerseits die erfolgten Baumaßnahmen bei der Bewertung völlig außer acht gelassen, gleichwohl die dazugehörigen Aufbauhypotheken aber aus dem Entschädigungsbetrag abgelöst wurden. Auch wo dies nicht der Fall sein sollte, war die Vorgehensweise diskriminierend. Denn bei Osteigentümern wurden auch die Instandsetzungsleistungen berücksichtigt, die nicht durch den Eigentümer, sondern z.B. durch die Nutzer vorgenommen worden sind. Die Westeigentümer entgegen den geltenden Regularien schlechter zu stellen, ist sachlich auch nicht durch Verweis auf die öffentliche Finanzierung der Baumaßnahme zu rechtfertigen. Denn auf der einen Seite hat der DDR-Staat ihre Vermögenswerte für seine Zwecke okkupiert und sie wurden insbesondere hinsichtlich der mit dem Eigentum verbundenen Lasten über die Niedrigmietenpolitik mit den in der DDR lebenden Eigentümern gleichgestellt. Sie wurden damit zur Finanzierung der sog. "Zweiten Lohntüte" - ein tragendes Element der offiziellen DDR-Propaganda - herangezogen. Hinsichtlich der daraus zwangsläufig folgenden ökonomischen Konsequenzen wurde ihnen aber andererseits die Gleichbehandlung verwehrt. Denn die niedrigen Mieten reichten bekanntermaßen generell nicht zur Finanzierung der notwendigen Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, so daß dies allgemein über eine unlimitierte Kreditierung von Baumaßnahmen über Kredite der Sparkassen oder bei dem der AO Nr. 2 vom 3.10.1958 unterfallenden Flüchtlingsvermögen aus Werterhaltungsfonds des jeweiligen VEB notwendigerweise finanztechnisch subventioniert und ausgeglichen werden mußte und allgemeinhin bis zur Wende auch wurden. Diese Subventionen müssen daher richtigerweise wie der Mietzins als Äquivalent für die Nutzung bewertet werden und sind dem Eigentümer zu Gute zu halten.

[34] GBl. I S. 257

[35] dort unter Abschnitt III Ziff.6 d

[36] dort Abschnitt V Ziff. 1.1.2. (abgedruckt Schriftenreihe BAROV, Heft 1 S. 103 ff )

[37] dort insbesondere Ziff. 4 (abgedruckt Schriftenreihe BAROV, Heft 1 S. 142,143 )

[38] vgl.: Entschädigungsgesetz vom 25.04.1960 (GBl. I S. 257) i.V.m. der unveröffentlichten Richtlinie des Ministeriums der Finanzen vom 04.05.1960 - Bewertung in Anspruch genommener Grundstücke, dort unter Abschnitt III a) Ziff. 6; Preisverfügung 3/82, dort Abschnitt V Ziff. 1.1.4. (abgedruckt in Schriftenreihe BAROV, Heft 1, S. 103 ff) i.V.m den Hinweisen des Ministerates, dort insbesondere Ziff. 4 (abgedruckt Schriftenreihe BAROV, Heft 1 S. 142,143); Ministerium der Finanzen - Amt für Preise: Richtlinie über die Feststellung der Entschädigung nach Übergang von Grundstücken in sozialistisches Eigentum -Bewertungsrichtlinie - unter Einbeziehung der mit Wirkung vom 1. Juni 1985 eingetretenen Veränderungen zur Richtlinie vom 20. Juni 1984, dort I 3 i.V.m. 6; Preisverfügung 3/87 des Ministerrates vom 30. April 1987, dort IV 1.1.2 und andererseits Grundsätze für die Anwendung der Preisverfügung Nr. 3/87 vom 30. April 1987, dort 3.3.(abgedruckt in Schriftenreihe BAROV, Heft 1, S. 145 ff); vgl auch.: Tatzkow / Hennicke " Kalte Enteignungen" von Grundstücken nach dem Aufbau- bzw. Baulandgesetz, Materialien zum 3. Berliner Vermögenskongreß)

[39] Mit einem internen Grundsatzschreiben des Ministeriums der Finanzen und des Amtes für Preise vom April 1985 soll angeblich allerdings eine Korrektur der Berechnungsvorgaben erfolgt sein. Das Schreiben liegt dem Autor bisher jedoch nicht vor. Ob damit zudem diese allgemeine Diskriminierungspraxis wirklich ihr Ende fand, ist unabhängig davon nicht erwiesen und muß angesichts entsprechender Berechnungsmodi, die in ähnlich gelagerten Fällen mit involviertem Westeigentum aus der Zeit nach 1985 festzustellen waren, bezweifelt werden.

 

[40] Praktische Anleitungen zu den Berechnungsmodalitäten finden sich in: Magistrat von Berlin, Abteilung Preise, Hinweise zur Preisverfügung Nr. 3/82 zur Anwendung des geltenden Preisrechts bei der Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken in Berlin vom 30.5.1984; Kammer der Technik, Fachverband Bauwesen, FUA Wertermittlung, Arbeitsgrundlagen für Wertermittlung im Grundstücksverkehr ( KHT Handbuch), 3. Aufl. 1972

[41] vgl. hierzu insbesondere den Beschluß des 7. Senates des BVerwG vom 05.12.1994 - 7 B 167.94

[42] BVerwG, Urteil vom 24. März 1994 - BVerwG 7 C 11.93 -, ZOV 1994, S. 205 ff; BVerwG, Beschluß vom 05.12.94 - BVerwG 7 B 167.94

[43] Soweit es im Einzelfall schon an einer solchen Baumaßnahme als Grund der Enteignung mangelt, ist allerdings von vorneherein eine unlautere Machenschaft in Form der vorgeschobenen Inanspruchnahme gegeben. Dafür reicht es m.E. auch aus, wenn nach Baumängeln regelrecht erst gesucht wurde, um über die Enteignung den vom Nutzer begehrten Erwerb zu ermöglichen.

[44]Der Begriff "geplant" im Sinne des Baulandgesetzes muß im Hinblick auf das System der zentralen Planwirtschaft verstanden werden und kann nicht einfach mit "beabsichtigt" übersetzt werden.

[45] Das Baulandgesetz erlaubte zwar Enteignungen nur für Instandsetzungsmaßnahmen und nicht zwecks reiner Instandhaltung; dies war den beteiligten Funktionsträgern natürlich auch klar. Die genaue Abgrenzung zwischen Instandhaltung und Instandsetzung blieb aber in der DDR bis zuletzt zumindest in der Praxis immer eine Zweifelsfrage. Die Praxis ließ jedenfalls auch Instandhaltungsmaßnahmen größeren Umfanges als Enteignungsgrund genügen ( Richtgröße: 10.000 M Bauvolumen)

[46] vgl.: Bodenrecht, Autorenkollektiv unter Leitung von Prof. Dr. Rohde, Staatsverlag der DDR 1989, dort unter 7.5.1, 7.5.2.1.2. und 7.5.2.1.4., sowie in den "Erläuterungen und Hinweise zur Arbeit mit dem Baulandgesetz vom 15. Juni 1984 (GBl. I Nr. 17 S. 201) und der Durchführungsverordnung vom 15 Juni 1984 (GBl. I Nr. 17 S. 205)" des Ministeriums für Bauwesen, Bereich Städtebau, Wohnungsbau und örtliches Bauwesen der DDR (im weiteren : Hinweise), abgedruckt in der Schriftenreihe des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, Heft 1 Dokument 27, S. 388 ff

[47] vgl. Hinweise II 1,2

[48]vgl.: Arlt/Rhode - Bodenrecht, Berlin 1967, dort unter § 3 II S. 402 ff; Rohde - Die Baulandbeschaffung, Berlin 1966, dort unter Rz. 4.4.3.

[49] Rhode - Die Baulandbeschaffung, Berlin 1966, aaO. S. 185 ff

[50] GBl. II S. 641

[51] zu den Begriffsdefinitionen vgl.: Arlt/Rohde a.a.0. S. 195 Anm. 112)

[52] Eine solche Ermächtigung findet sich auch nicht in der Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen - Eigenheimverordnung - vom 7.12.1978, GBl.I S. 425, bzw. in der Zweiten Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen - Eigenheimverordnung - vom 27.3.1987, GBl. I S. 51.

[53] vgl.: § 1 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz

[54] vgl. Rohde, Die Bereitstellung von Boden für Investitionen und andere bauliche Maßnahmen, 2. Auflage, Berlin 1981, dort 9.2.1.2. und 9.2.2. Seite 196 ff (199)

[55] Die Objektlisten des Stadtbezirkes war zwar theoretisch auch für Grundstücke in Privatbesitz offen. Für eine privaten Eigenheimbesitzer war es aber praktisch kaum möglich hier Berücksichtigtigung zu finden, außer er hatte sehr gute Beziehungen oder es bestand eine ausgesprochene Notlage. Die Bereitstellung von Baumaterialien und Baukapazitäten auch für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen bei privaten Eigenheimen durch die Bürger selbst war daneben vorgesehen nach der Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen - Eigenheimverordnung - vom 7.12.1978, GBl.I S. 425, bzw. durch die Zweite Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen - Eigenheimverordnung - vom 27.3.1987, GBl. I S. 51. Danach erfolgte die Bereitstellung von Materialien und bilanzierter Baukapazitäten aus den Fonds Bauwesen über den VEB Baustoffversorgung bzw. durch andere Betriebe mit entsprechenden Reserven. Voraussetzung war dafür zunächst ein Antrag beim örtlichen Rat ( Berlin: Stadtbezirk). Soweit diesem Antrag seitens des Vorsitzenden des örtlichen Rates zugestimmt wurde, beinhaltete dies gleichzeitig die Bestätigung der sog. Materialiste. Diese bestimmte, welche Materialien und Kapazitäten im einzelnen zur Verfügung gestellt werden und bestimmte auch den Bereitstellungsverpflichteten. Dieser hatte mit dem Bürger entsprechende Leistungs- und Lieferungsverträge abzuschließen. (vgl. §§ 1, 3, 4 und 8 Eigenheimverordnung) Dieser Weg wurde aber bei Instandsetzungsmaßnahmen zumindest in Berlin - anders als beim Eigenheimneubau - anscheindend nicht beschritten. Vielmehr waren die privaten Eigenheimbesitzer praktisch darauf verwiesen, die notwendigen Baukapazitäten aus freien Kontigenten bei dem VEB Baustoffversorgung bzw. bei Handwerksbetriebe mit entsprechenden freien Kontigenten zu beschaffen. Bekanntermaßen war der Alltag dabei durch eine eklatante Unterdeckung gekennzeichnet.

[56] Für die Finanzierung von Umbau-, Ausbau- sowie von Sanierungsmaßnahmen etc. galt hier die Verordnung vom 28. April 1960 über die Finanzierung von Baumaßnahmen zur Schaffung und Erhaltung von privaten Wohnraum (GBl. I Nr. 34 S. 351), geändert durch die Verordnung vom 14. Juni 1967 (GBl. II Nr. 63 S. 419). Dabei war die Finanzierung auch möglich, soweit dies unrentabel war, also eine Tilgung oder Verzinsung durch die Mieteinnahmen nicht sichergestellt war oder Beleihungsgrenzen überschritten wurden (vgl. insbesondere § 8 der Finanzierungsverordnung). Bei dem der AO Nr. 2 vom 3.10.1958 unterfallenden Flüchtlingsvermögen wurde allerdings zumeist wohl, aber auch nicht immer, die Instandsetzung oder Modernisierung aus Werterhaltungsfonds des jeweiligen VEB finanziert.

[57] Diesen Zusammenhang zwischen Niedrigmietenpolitik und der notwendiger Fremdfinanzierung von Instandsetzungsmaßnahmen hat der Gesetzgeber richtig gewürdigt, indem er den Verkauf an VE unter Verrechnung des Kaufpreises mit Aufbauhypotheken und Grundschulden als Schenkung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG einstuft; vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 1995 - 7 C 23.94 - S. 7 ff m.w.N.

[58] so VerwG Berlin, Urteil vom 6. Juni 1994, VG 31 A 22/93

[59] Vgl. Tatzkow/Henicke, Entstehung, Hintergründe und Durchführung der VO vom 11. Dezember 1968, in Tatzkow/Henicke/Schnabel "Kalte Enteignungen" von Grundstücken nach der ZwangsverkaufsVO ´68, 1994;

Die Machthaber und die Rechtspraxis der DDR gingen seinerzeit selbst davon aus, daß außerhalb der Anwendungsbereiches der VO von 1968 keine genügende Legitimationsgrundlage zum Verkauf durch den staatlichen Verwalter vorlag. (vgl. insbesondere die Anlage zum Beschluß des Ministerrates " zur weiteren Durcchführung der Grundlinie der Behandlung des in der DDR befindlichen Vermögens von Berechtigten aus kapitalistischen Staaten und Westberlin" vom 23.12.1976, dort unter IV Ziff. 2.2., abgedruckt in Heft 1 der Schriftenreihe des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, S. 27) Um so mehr verwundert, wenn nunmehr in der Anweisung  30/58 des Ministeriums der Finanzen vom 27.09.58, also einer nicht veröffentlichten Anweisung aus 1958, eine Verkaufsermächtigung sogar für den Zeitraum nach 1968 gesehen wird (vgl.: VG Berlin, Urteile vom 29.5.1995 - VG 25 A 737.92 - und vom 29.3.1993 - VG 25 A 463.92). Zu DDR-Zeiten wurde demgegenüber intern seitens der politischen Führung orientiert, daß ein Verkauf über die VO von 68 zu erfolgen habe. Die Verkäufe erfolgten nach seinerzeitiger Vorstellung auf Grundlage der Verordnung vom 11. 12. 1968,  auch wenn der Kaufvertrag keinen Hinweis auf die staatliche Verwaltung enthielt  Es muß davon ausgegangen werden, daß Verkäufe auf Grundlage der Anweisung 30/58 , insbesondere durch Mitarbeiter der Abt. Finanzen, Ausnahmefälle waren, bedingt durch spezielle Situationen oder Interessenlagen, die einer genauen Redlichkeitsprüfung erheischen. 

[60] Verordnung über die Rechte und Pflichten des Verwalters von Vermögens von Eigentümern, die die DDR ungesetzlich verlassen haben, gegenüber Gläubigern in der DDR (GBl. II/1969 S. 1); diese beruhte auf dem Beschluß des Präsidiums des Ministerrates vom 11.12.1968 über die Behandlung des Vermögens von Eigentümern, die die DDR ungesetzlich verlassen haben ( GVS B -2/2 - 74/68);

[61] insbesondere Heft 1 der Schriftenreihe des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen

[62] Schriftenreihe aaO S. 431 ff

[63] Überschrift der Anlage zum ZK-Beschluß

[64] Einleitung der Anlage zum ZK-Beschluß

[65] vgl. Baumhaus, Die Anwendung des Vermögensgesetzes bei unlauteren Machenschaften in Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Berlin (Hrsg.), Waren Sie unlauter oder Redlich? Grenzen der Restitution, Teil I S. 9 (S. 13 ff)

[66] vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27.7.1995, BVerwG 7 C 12.94, S. 11; Baumhaus, Die Anwendung des Vermögensgesetzes bei unlauteren Machenschaften aaO, S. 16 ff, 21 ff

[67] siehe letzte Fußnote

[68] Große (fiskal-) politische Auswirkungen sind nicht zu befürchten.
Es dürfte sich um eine vergleichbar kleine Zahl betroffener Grundstücke handeln.
Die seinerzeitigen Erwerber sind zudem regelmäßig als redliche Erwerber vor der Rückgabe geschützt. Die auf streng geheimen Anweisungen beruhenden Vorgehensweisen waren auch für sie nicht durchschaubar.

[69] Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz, vom 23. Juni 1994 (VerwRehaG), BGBl. I S. 1311

[70] vgl.: Baumhaus, Die Grenzposten der Grundstücks-Restitution oder Unlautere Machenschaften und Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz, ZOV 1995, S. 20

[71] vgl. § 9 Abs. 2 VerwRehaG

[72] Artikel 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes, des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes und des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes vom 15. 12.1995, BGBl. I S. 1782

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